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Drachen - Geschichten

 

 

 

Traditionelle Sagen aus Deutschland

Von den Drachen

In alten Sagen und Märchen wird auch von feuerspeienden Drachen erzählt. In unseren Gegenden hat sich die Erinnerung an diese "fürchterlichen Ungetüme" meist nur mehr in dem Schimpfwort »Drack« erhalten. »Du Drack!« sagt z.B. der Knecht zum Stallbuben, weil derselbe ihm einen Schabernack gespielt, indem er ihm Brennessel ins Bett gelegt hat und »Schauts den Drackn o!« sagt der Geselle, weil ihm der Lehrling die letzte Zigarette gestibitzt und geraucht hat. Dann kennen wir noch den Papierdrachen, als beliebtes Knabenspielzeug und die Drachen in den Witzblättern, als Charakterbezeichnung für böse, xantippenhafte Weiber.

Aber es leben heute noch Leute, die ganz ernsthaft erklären, daß ihre Großeltern und Eltern häufig von leibhaftigen Drachen, die sie mit eigenen Augen gesehen, erzählt haben. Ja, eine Frau berichtet: »Es war vor 40 Jahren - ich war damals 6 Jahre alt da saß ich eines Abends auf dem Tische und sah zum Fenster hinaus. Plötzlich erhellte sich das Firmament und gleich darauf flog etwas wie ein feuriger Wiesbaum *), dessen vorderer Teil jedoch ganz schwarz war, über das Dorf **) und überquerte bei unserem Hause die Straße. Die Mutter, die das Ding ebenfalls beobachtete, rief. »Da schauts außi! Da fliagt ebbs!« und schon war es im Kamin des Nachbarn verschwunden. In jenem Anwesen vernahm man nur ein kurzes Gepolter und dann war es wieder ruhig!«

In Fahrnbach bei Bischofsmais wurde der Drache während des Flachsbrechens mehrmals nach 11 Uhr nachts wahrgenommen. Da ist derselbe auch wie ein brennender Wiesbaum mit einem schwarzen, kugelförmigen Kopf dahergesaust gekommen und immer über den Wald hin verschwunden.

Auch in Greising hat sich der Drache oft gezeigt. Zum letzten Male sah man ihn, als das Schulhaus abgebrannt ist. ***)

In Viechtach erzählt man, daß der Teufel als Wiesbaum dahergeflogen und in einem Kamin verschwunden sei.

*) Wischbaum sagt das Landvolk.
**) Abtschlag bei Kirchdorf v.W.
***) Um das Jahr 1904.

Quelle: sagen.at
Michael Waltinger, Niederbayerische Sagen

 

Peter Bär

Mündlich in Hannover.

In einem Dorfe lebte einmal ein Mann, welcher Kuhhirt war. Eines Tages, als seine Frau mit den Kühen nach' der Weide gezogen war, hatte sie das Unglück, eine Kuh zu verlieren. Sie suchte und suchte bis in die späte Nacht, konnte sie aber nicht wiederfinden, und da sie sich vor ihrem Manne fürchtete und sich deshalb nicht ohne das Thier nach Haus wagte, suchte sie noch beim Sternenschein und verirrte sich dabei tief in den Wald hinein. Hier gelangte sie endlich an eine Höhle, und da sie matt und müde war, gieng sie hinein, um darin zu übernachten. Kaum hatte sie sich dort niedergesetzt, da kam ein großer Bär herein; dieser brummte zwar erst ein wenig, ward aber bald vertraut mit der zitternden Frau und that ihr nichts zu Leide. Und sie lebten zusammen in der Höhle: der Bär gieng frühmorgens weg, kehrte jedoch jedesmal bald zurück und brachte der Frau frisches Fleisch und allerhand Beeren; dabei unterließ er es aber nie, beim Weggehn einen großen Stein vor die Höhle zu wälzen, damit jene nicht entfliehen möge. Nach einiger Zeit bekam die Frau, die bis dahin kinderlos gewesen war, einen kleinen Sohn; als derselbe neun Monate alt war, da war er ebenso stark wie sein Vater, der Bär. Darüber, daß der Sohn so schnell heranwuchs und erstarkte, freute sich die Mutter außerordentlich und nicht bloß wie andere Mütter: sie wollte schon lange so herzlich gern wieder nach Haus und unter Menschen, und da sie selber die Höhle nicht öffnen konnte, setzte sie ihre ganze Hoffnung auf den Jungen; denn der Alte that es nicht, sie mochte bitten und schmeicheln, so viel sie wollte. Als die Kraft des Knaben so weit gediehen war, und der Bär einst wieder ausgieng, ließ sie von jenem den Stein wegwälzen, was ihm ein wahres Kinderspiel war, und gieng mit ihm in ihr Dorf zurück. Kaum zu Hause angekommen, war auch der alte Bär schon da und machte vor der verriegelten Thür ein Gebrumme und Gebrüll, daß alle Bauern aus dem Dorfe zusammenliefen und das Unthier nach einem wüthenden Kampfe erlegten. Die Sache wurde landkundig, und der Knabe empfieng die heilige Taufe, wobei der Schulz Gevatter stand, und erhielt den Namen "Peter Bär." Dieser, obgleich er schon vor der Taufe stärker war, als der allerstärkste Mann, wurde noch immer stärker, und als er ausgewachsen war, und sein Herr Gevatter darauf drang, er solle ein Handwerk lernen, wurde er ein Schmied. Es hielt erst sehr schwer, einen Lehrherrn für ihn zu finden, bei dem er auslernte; denn sobald man ihn erzürnte, schlug er entweder den Amboß in den Gottserdboden, oder zerschmetterte den Hammer, oder hieb auf das Eisen los, daß die Stücke durch die ganze Schmiede, ja über den Schmiedeberg bis auf die Straße flogen. Endlich fand sich ein pfiffiger Schmied, der ihn zu nehmen wußte, und da arbeitete er allein für sieben Mann, aß aber nur für drei. Als die Lehrzeit zu Ende war, machte er sich einen eisernen Wanderstock, welcher drei Zentner wog, gieng zu seinem Herrn Gevatter und bat um Reisegeld; die Bauern brachten solches zusammen und dankten Gott, daß sie endlich den gefährlichen Mann wieder los wurden. Und Peter Bär zog in die weite Welt, immer seiner Nase nach.

Nun begab sich's eines Tages, daß er an eine verfallene Burg kam, welche auf einem Berge lag; da fand er einen Menschen, der mit der Faust die Quadersteine aus der dicken Mauer stieß, daß sie den Berg hinabrollten. Peter Bär sah ihm eine kleine Weile zu und sprach hierauf: "Du Steinspieler, was machst du da?" Dieser antwortete: "Ich stoße zu meinem Vergnügen, und weil ich eben Langweil habe, diese Mauern ein." "Ei, du bist ja ein starker Kerl!" sagte Peter Bär. Der Steinspieler erwiderte: "Gewis bin ich stark; Peter Bär aber ist noch stärker." "Ich bin Peter Bär", versetzte dieser; "bin ich stärker als du, so geh mit." Sie giengen zusammen weiter, da begegnete ihnen ein Mann, der trug in der Hand eine dicke eiserne Stange, in welche er fortwährend Knoten schlug und diese alsobald wieder auflöste. "Du Eisenknüpfer, was machst du denn da?" sprach Peter Bär; "du bist ja ein starker Kerl!" "Bin ich stark?" versetzte Eisenknüpfer; "Peter Bär ist doch noch viel stärker." "Ich bin Peter Bär", erwiderte dieser; "bin ich stärker als du, so geh mit." Sie giengen alle drei weiter und kamen in einen Wald; da stand ein Mann, der hatte einen Baumwipfel in der Hand und drehte daran. Als Peter Bär ihm eine kleine Weile zugesehen hatte, sprach er zu ihm: "Du Baumdreher, was machst du denn da?" Dieser entgegnete: "Ich sollte meiner Mutter ein wenig Holz holen und drehe mir hier nun eine 'Wiede', um was hinein zu binden." Peter Bär lachte und sagte: "Du bist ja ein starker Kerl!" "Schwach wenigstens bin ich gerade nicht", entgegnete der Baumdreher; "hast du aber schon von Peter Bär gehört? der ist doch noch viel stärker." "Ich bin Peter Bär", erwiderte dieser; "willst du meine Stärke kennen lernen, so folge mir." Jener war bereit dazu, und Peter Bär rief fröhlich aus: "Jetzt sind wir unser vier starke Kerle zusammen; nun fürchten wir uns vor dem Teufel und seiner Großmutter selber nicht!"

Sie schlenderten aber immer weiter in den Wald hinein, trafen zuletzt auf ein altes Haus und giengen hinein. Hier war alles aufs schönste und beste eingerichtet, es fehlte an einer vollen Haushaltung auch nicht das Mindeste; von einem Menschen aber oder einem andern lebenden Wesen hörten und sahen sie nichts. "Wenn hier niemand wohnt", sagte Peter Bär, "so hört der alte Kasten sammt allen Vorräthen uns; laßt uns denn hier bleiben, so lange es uns behagt." Alle waren es zufrieden, und sie ließen sich nieder und aßen und tranken. Am andern Morgen, als gefrühstückt war, sprach Peter Bär: "Eßen und Trinken hält zwar Leib und Seele zusammen; das ist's aber auch alles! Ich denke, wir drei, Steinspieler, Eisenknüpfer und ich, wir nehmen uns dort von den blanken Gewehren und gehen auf die Jagd; du, Baumdreher, bleibst wohl zu Haus und richtest eine Mahlzeit an, und wenn es Mittag ist, läutest du, daß wir kommen; so viel wird die alte Glocke da oben wohl noch klingen." Und jene nahmen von den blanken Gewehren und giengen auf die Jagd; Baumdreher hingegen blieb zu Haus und besorgte die Küche. Bald war das Eßen fertig, der Tisch gedeckt, und er hatte so weit alles in Ordnung bis zum Läuten; da, eben als er den Strang faßen wollte, kam ein graues Männchen mit einem langen weißen Barte herein und bat um ein wenig Speise. Baumdreher wollte das Männchen abweisen; es hielt aber so lange mit Bitten an, bis jener sagte: "So bleib, bis wir gegeßen haben; was übrig bleibt, sollst du haben; viel kannst du ja ohnehin nicht laßen, Knirps." Das Männchen jedoch bat immer kläglicher und stellte sich, als sei es verhungert; mürrisch nahm Baumdreher einen Teller, gab etwas Suppe darauf und reichte es dem Bettler hin. Dadurch bekam das Männchen Gewalt über ihn; es zog einen Stock aus dem Busen und schlug den großen, starken Baumdreher so jämmerlich, daß er ohnmächtig zu Boden fiel. Als er wieder zu sich kam, war das Männchen verschwunden; er raffte sich endlich auf, und da er nicht wollte, daß seine Kameraden von der Prügelsuppe etwas erführen, brach er in der Küche einen Balken durch, um vorzuwenden, dieser sei ihm auf den Kopf gefallen; ans Läuten dachte er weiter nicht und legte sich zu Bett. Die Jägersleute, als Mittag lange vorbei war, und die Glocke noch immer nichts von sich hören ließ, sprachen unter einander: "Was mag das bedeuten sollen? Wahrscheinlich ist Baumdreher im Keller gewesen und hat einige Fäßer geleert, daß er ans Läuten nicht denkt. Laßt uns nachsehen." Als sie nach Hause kamen und den Baumdreher im Bette fanden und windelweich geschlagen, lachten sie ihn aus; nur Peter Bär lachte nicht, sondern fragte: "Was ist dir passiert, Kerl, daß du im Bette liegst und seelzogst und ankest und stöhnest, als wenn du verscheiden willst?" Baumdreher antwortete mit seiner Lüge und sprach: "Als ich den Bratspieß drehte, ward ein Gekrach über mir, als wolle das Haus zusammenbrechen, und ehe ich zur Seite springen konnte, stürzte ein Balken auf mich herab und schmetterte mich nieder." "Und davon bist du grün und blau über die ganze Schwarte?" entgegnete Peter Bär, ließ ihn liegen und setzte sich mit den übrigen an den Tisch; und alle aßen und tranken, bis ihnen die Augen übergiengen, nur Baumdreher schien keinen Appetit zu verspüren.

Am andern Morgen, als gefrühstückt war, auch Baumdreher hatte gegeßen und getrunken wie nichts Guts, sprach Peter Bär: "Ich schlage vor, wir drei, Steinspieler, Baumdreher und ich, gehen ein wenig auf die Jagd; du, Eisenknüpfer, bleibst wohl zu Haus und richtest die Mahlzeit an, und wenn es Mittag ist, läutest du zu Tisch. Laß dir aber ja keinen Balken auf den Kopf fallen, daß es dir nicht ergehe wie dem armen Baumdreher." Dieser verkehrte die Augen, seufzte und gieng mit den beiden ins Holz; Eisenknüpfer blieb zu Haus, die Küche zu besorgen, und Baumdreher wünschte ihm gute Geschäfte. Die hatte er auch insofern, als das Eßen bald fertig und der Tisch bald gedeckt war; als es aber ans Läuten gieng, trat wieder das graue Männchen herein und bat um ein bißchen gegen den Hunger. Vergebens suchte Eisenknüpfer es mit Worten abzuspeisen; vergebens vertröstete er es auf die Brosamen, die übrig bleiben würden: es schien so verhungert und bat so jämmerlich, daß er ihm Suppe reichte und sich dadurch in des Zwergs Gewalt begab. Hatte schon Baumdreher Prügel bekommen, so gieng's dem Eisenknüpfer erst recht schlecht: kreuz und quer hieb das Männchen darauf los, daß sein Rücken aussehen ward wie Fünfkamm, und die übrigen Stellen wußte es auch zu finden. Da Eisenknüpfer sich schämte, von einem so elenden Däumling überwältigt worden zu sein, brach er den Hahnebalken herunter und warf ihn am Herde nieder; hierauf legte er sich zu Bett und ließ Braten Braten sein und Glocke Glocke. Als Mittag längst vorbei war, und Eisenknüpfer noch immer nicht läutete, meinte Peter Bär: "Sollte auch ihm ein Balken auf den Schädel gefallen sein?" und gieng mit den Jagdgenoßen nach Haus. Hier lag er denn im Bette, der große Eisenknüpfer, und wimmerte und winselte wie ein Kind beim Zahnen; der Hahnebalken lag richtig in der Küche: wer sich aber nicht darum kümmerte, das war Steinspieler; wer ihm nicht glaubte, das war Baumdreher, und wer sein Theil dabei dachte, das war Peter Bär. (Bild von: www.metalmarkt.ch)

Am dritten Morgen, als das Frühstück verzehrt war, gieng Peter Bär mit Baumdreher und Eisenknüpfer auf die Jagd und ließ den Steinspieler zurück, die Küche zu besorgen. Ihm gieng's wo möglich noch schlimmer als dem Eisenknüpfer: das graue Männchen schlug so unbarmherzig auf ihn ein, daß ihm die Schwarte knackte. Da er sich erst recht schämte, daß ein solcher Wicht ihn sollte bezwungen haben, warf er den Schornstein herab und meinte, das sollten die anderen schon glauben. Es glaubte es aber keiner, und Peter Bär sagte: "Die Sache scheint nicht richtig zu sein mit diesem Hause; morgen gehet ihr drei einmal auf die Jagd und laßet mich die Küche besorgen. Sollte aber das Haus über mir zusammenfallen und mich tödten, so erinnert euch meiner in Gutem." So sehr sie alle dieser Spott verdroß, so freuten sie sich doch im voraus auf den neuen lustigen Tanz; denn im Grunde mochten sie den Peter Bär nicht leiden, weil er stärker war als sie.

Am vierten Morgen, als gefrühstückt war, zogen Baumdreher, Eisenknüpfer und Steinspieler seelenvergnügt auf die Jagd, und seelenvergnügt gieng Peter Bär an seine Kocherei; doch legte er seinen dicken Eisenstab zur Hand, um für alle Fälle sicher zu sein. Als das Eßen auf dem Tische war, und er eben läuten wollte, stellte sich richtig das graue Männchen wieder ein und bat um ein wenig Speise und Trank. "Das sollst du gern haben", sprach Peter Bär, "für dich Maulwurf wird wohl ein Fingerhut voll übrig sein"; und er gab ihm einen Teller voll Suppe. Der Zwerg holte seinen Stock hervor, um Peter Bär zu schlagen, versetzte ihm auch eins ins Gesicht, daß er laut niesen mußte. Da aber ward der Peter grimmig wie ein Bär, faßte den Wicht beim Bart, schwenkte sich ihn dreimal um den Kopf, warf ihn halb zerschmettert in die Ecke und sagte: "Du Tückebold, meinen Handstock sollte ich nehmen und dich sieben Klafter tief unter den Boden schlagen! Ist das der Dank für die gute Suppe? oder dachtest du mir ebenso mitzuspielen wie den drei anderen? Weißt du nicht, wer ich bin? kennst du den Peter Bär nicht und seinen Eisenstock?" Das Männchen zitterte und krümmte sich wie ein getretener Wurm; Peter Bär aber nahm es und band es mit seinem Barte an der Bettstelle fest, warf seinen Stock aufs Bett, daß der Zwerg es nicht fortzerren sollte, und ließ es zappeln und heulen. Hierauf faßte er den Strang und läutete, daß der ganze Wald dröhnte, und die drei Jägersleute aus ihrem Schlafe aufsprangen. Diese nämlich, nachdem sie sich ihre Noth geklagt und über Peter Bär sich lustig gemacht hatten, wie er sich wohl anstellen werde, wenn nun endlich die Reihe an ihn komme, Baumdreher, Eisenknüpfer und Steinspieler hatten ihre Striemen gewaschen und sich's hierauf bequem gemacht: im Schatten eines Eichbaums lagen sie auf dem Moose; verwundert sprangen sie auf, als sie's läuten hörten, und eilten nach Hause. Hier fanden sie Peter Bär munter und gesund, das Eßen gekocht, den Tisch gedeckt und in der Kammer den heulenden Zwerg mit seinem Bart an die Bettstelle gebunden; Peter Bär aber verspottete sie, daß sie von einem so kleinen Kerl sich hätten prügeln laßen, und sagte, er habe es weder mit dem Balken noch mit dem Hahnebalken noch mit dem Schornstein geglaubt; danach giengen sie zu Tische.

Während sie sich's nun wohlschmecken ließen, riß und zerrte das Männchen in der Kammer so lange hin und her, bis der Bart nachließ und an der Bettstelle hängen blieb gleich einem Dornbusch; nun lief es schnell zur Thür hinaus und sprang in den Brunnen, der dicht am Hause stand. Das alles sah Peter Bär durchs Fenster und sagte: "Ich hole dich schon wieder; laßt uns nur erst satt sein." Als dieß endlich erreicht war, sprach er zu seinen Kameraden: "Nun will ich einmal sehen, wo das Männchen geblieben ist; ich denke, wo das hinlangt, ertrinke ich auch nicht." Und er holte ein Seil herbei, band einen Korb daran, legte Baumdrehers Balken über den Brunnen, nahm seinen Wanderstab zur Hand, setzte sich in den Korb, und sie ließen ihn langsam hinunter. Als er unten anlangte, sah er eben noch, wie das Männchen in eine andere Welt hinab sprang; rasch setzte er hinterdrein, seinen Stock in der Rechten, und kam noch früh genug, um das Männchen in ein altes Haus schlüpfen zu sehen. Ohne sich lange zu besinnen, stürzte er ihm nach und fand in der Stube eine uralte Hexe, die fragte er: "Wo ist das graue Männchen?" "Ich weiß nicht", krächzte ihm die Hexe entgegen. Als er sie aber beim Schopf nahm, ihr seinen Eisenstab zeigte und sie damit in Grund und Boden zu schlagen drohte, wenn sie es nicht gleich gestehe, da erschrak sie und sagte: "Unter dem Tubben sitzt es." Als er sich umkehrte, blickte er durchs Fenster und sah hinterwärts lauter große Berge, und vor dem größten stand ein wunderschöner Palast. "Alte Hexe", donnerte er sie an, "sag mir, was das für ein Haus ist!" und damit schlug er drei Balken aus der Decke. "Ach," antwortete sie, "da ist eine verwunschene Prinzessin, die bewachen vier Riesen, weshalb sie nicht zu retten ist." "Schweig, alte Hexe," versetzte Peter Bär, "ich rette sie;" und er nahm seinen Stock, ließ sich von der Alten eine gute Salbe geben und gieng nach dem Hause. Als er in den Hof kam, gieng ein Riese mit einer Kanone auf der Schulter auf und ab und sprach zu Peter Bär: "Erdwurm, was willst du hier?" "Das will ich!" antwortete dieser und schlug ihn mit seinem Stock über den Kopf, daß er zermalmt am Boden lag. Als er in die Stube kam, sprangen die anderen drei Riesen auf, faßten große Keulen und wollten ihn ermorden; er aber versetzte jedem einen Streich mit seinem Eisenstock, und sie lagen todt danieder. Die Prinzessin weinte vor Schreck und vor Freude und schenkte ihm ein weißes Taschentuch und einen Ring; in diesem standen Buchstaben, die er aber nicht lesen konnte. Während er so mit ihr sprach, sah er durchs Fenster und erblickte in der Ferne noch weiter nach dem großen Berge zu ein noch viel schöneres Haus. "Könnt ihr mir nicht sagen, schöne Königin, was das dort für ein Haus ist?" fragte Peter Bär, und die Prinzessin entgegnete: "Ach, dort wohnt meine verwunschene Schwester, die ist niemals zu retten; denn acht Riesen bewachen sie." "Ich rette sie", antwortete Peter Bär, "und bringe sie euch." Damit empfahl er sich, ergriff seinen Eisenstock und eilte schnurstracks auf das Schloß los. Im Hofe giengen zwei Riesen, jeder mit einer Kanone auf der Schulter, hin und her und hielten Wache; als die ihn erblickten, schrieen sie: "Erdwurm, was willst du hier?" "Das will ich!" versetzte er und gab jedem einen Backenstreich, daß sie fürder kein Glied mehr regten. Als er in die Stube kam, wollten ihn die anderen sechs Riesen tödten; er aber Schlag auf Schlag erlegte sie, während du sechs zählst, und ihm wurde auch nicht ein Haar gekrümmt. Die Prinzessin weinte vor Schreck und vor Freude, gab ihm ein weißes Taschentuch und einen goldenen Ring, an welchem ebenfalls sonderbare Buchstaben standen, deutete mit der Hand durchs Fenster und sagte: "Dort in jenem großen Schloße, das du dicht an dem hohen Berge liegen siehst, wohnt meine verwunschene jüngste Schwester. Leider ist sie aber gar nicht zu erlösen; denn sie wird von sechzehn Riesen und von einem Drachen bewacht, der sieben Köpfe hat und aus allen Feuer und Flammen speiet." Das war dem Peter erst ganz recht, und er erwiderte: "Ich rette sie und bringe sie euch, oder ich sterbe; der Drache nämlich ist der schlimmste von allen." Als er Abschied von der weinenden Prinzessin genommen hatte, gieng er rasch auf das Schloß los. Im Hofe hielten vier Riesen Wache, jeder mit einer Kanone auf der Schulter. "Erdwurm, was willst du hier?" schrieen sie ihm entgegen. "Das will ich!" versetzte er, und im Nu lagen alle vier in ihrem schwarzen Blute. Als er das hohe Schloßthor öffnete, lag da der siebenköpfige Drache und spie Feuer und Flammen gegen ihn, daß sein Eisenstab glühend wurde; er aber zerschmetterte ihm mit jedem Schlag einen seiner Köpfe, und weil das Eisen glühend ward, blutete es nicht einmal, so tief er auch schlug. Nun ward ihm ganz leicht ums Herz, und er gieng in den Saal zu den Riesen, welche von den Kämpfen nichts gehört hatten; und das war ein Glück, denn sonst möchte es ihm doch schlecht ergangen sein. Als er eintrat, saßen die zwölf bei der Prinzessin am Tisch und aßen; wüthend sprangen sie auf und konnten gar nicht begreifen, wie er nur hereingekommen sein möge, und als sie danach fragten, antwortete er damit, daß er den einen nach dem andern niederschlug. Es waren ihrer aber fast allzu viel, und wenngleich sein Eisenstab nicht zweimal zu schlagen brauchte, hatten die letzten doch noch immer so viel Zeit, ihm mehrere kleine Wunden und eine recht tiefe beizubringen. Nach dem zwölften Streiche schwanden ihm fast die Sinne; doch hatte er noch Besinnung genug, um sich mit der guten Salbe zu waschen, welche ihm die Hexe gegeben hatte; und siehe! im Augenblick war er heil und ohne Schmerzen. Die Prinzessin weinte vor Schreck und vor Freude, gab ihm ein weißes Taschentuch und einen goldenen Ring, dessen Buchstaben er wieder nicht lesen konnte, und folgte ihm zu der zweiten und mit dieser zu der ältesten Schwester. Nun gieng's weiter zu der Hexe; diese, erstaunt über das seltsame Ereignis, gab ihm guten Rath, wie er sich und die drei Schwestern durch den Brunnen auf die Erde und von da in das Land des Königs bringe.

Als sie an den Brunnen kamen, hieng der Korb noch unten. Seine drei Gefährten Steinspieler, Eisenknüpfer und Baumdreher lauerten mit Ungeduld auf ihn und wußten nicht, wo er geblieben sein möge; denn er war gewis schon eine volle halbe Stunde unten, und das war viel für sie und für Peter Bär. Sie meinten, er wird wohl ertrunken sein, und waren schon mehrmals im Begriff gewesen, sich aus dem Staube zu machen; Furcht jedoch vor dem gewaltigen Eisenstock und Neugier, ob er den Zwerg doch wohl noch erwischt habe, hatte sie zurückgehalten. Jetzt zupfte es am Seil; sie zogen herauf, und siehe! eine Jungfrau saß im Korbe, welche ihnen erzählte, was da unten vorgegangen war, obgleich Peter Bär es verboten hatte. Als auch die beiden anderen Prinzessinnen oben waren, dachte Peter Bär: "Jetzt ist nicht zu trauen; denn geschwatzt haben sie doch." Er wollte sich wenigstens sichern und legte einen Stein in den Korb; als dieser halb hinauf war, fiel ein Felsblock von oben in den Korb, das Seil riß, und alles stürzte in den Brunnen. "Die Schurken!" fluchte Peter Bär; "wer aber nur nicht klüger wäre!" Jetzt fuhr er die alte Hexe an: "Schaff mich hinauf!" Sie wollte anfänglich nicht, sagte auch, sie könne es nicht; er aber nahm sie beim Schopf und drohte sie zu zerschmettern, wenn sie nicht Rath schaffe. Das half. "Höre", sagte sie, "ich habe einen Drachen, den will ich dir leihen, der soll dich hinauftragen; nimm aber ja genug Fleisch mit, und so oft der Drache 'wack' schreit, gieb ihm ein Stück, sonst frißt er dich." Peter Bär gieng nach der Weide, holte sich einen Ochsen, setzte sich auf den Drachen und fuhr hinauf. Kaum war die Hälfte Weges zurückgelegt, als das Fleisch schon alle verzehrt war; und wieder schrie der Drache "wack", daß es nur so dröhnte. Ihm wurde ganz gräsig zu Muthe, besonders, als er sah, daß er seinen Eisenstab vergeßen hatte; der Drache aber krümmte sich und schrie wieder "wack" und schrie noch lauter als zuvor. Er wußte sich nicht anders zu helfen, er riß sich ein großes Stück Fleisch vom Leibe und gab es ihm, und als er wieder schrie, machte er's ebenso und zum drittenmal auch. Jetzt konnte er die oberen Steine greifen, und in einem Satz war er auf der Erde; dem Drachen gab er noch einen mit dem Fuße, daß ihm alle Rippen krachten, und er schäumend in die Tiefe fuhr.

Als Peter Bär oben war, bejammerte er erst seinen Eisenstock; aber siehe! der lag ja neben ihm. Nun bedauerte er sein schönes Fleisch; aber da fiel ihm die gute Salbe ein, welche er von der Hexe bekommen hatte und in der Tasche trug; er bestrich sich damit, und im selben Augenblick fehlte ihm nichts mehr. Jetzt sah er sich nach den drei Prinzessinnen um; es war aber von allen dreien nichts zu hören und zu sehen. Sie hatten nämlich den guten Rath der alten Hexe gehört und ihn benutzt, sich vor Peter Bär's Gesellen in ihr Vaterland und zum Könige, ihrem Vater, zu retten. Von diesen Kameraden endlich war auch nicht die leiseste Spur, und nimmer hat Peter Bär von ihnen was wieder gehört. Er selber wollte auch nicht allein da bleiben, nahm seinen Eisenstab und wanderte der Königsstadt zu.

Gleich in der ersten Stadt jenes Landes erzählten ihm die Leute: "Unsere Prinzessinnen sind wieder da, und nun hat der König bekannt machen laßen, wer ihm die Ringe mit den Buchstaben bringe, solle für jeden tausend Dukaten haben." Peter Bär gieng nach einem armen Goldschmied, der ihm einst einen guten Zehrpfennig geschenkt hatte, und gab sich für einen Goldschmiedsgesellen aus. Der arme Mann erzählte ihm, was für ein schönes Stück Geld zu verdienen sei, wenn man an so einen Ring gelangen könne. "Den will ich euch schmieden, und zwar bis morgen früh", entgegnete Peter Bär. Der Meister sah ihn groß an und wußte nicht, was er sagen sollte; jener aber versicherte, wenn er den Ring einliefere, seien die tausend Dukaten ihm ganz sicher. Nun bat er sich für die Nacht eine Tonne Bier, ein Malter Nüße und ein paar Brode aus; das aß und trank er während der Nacht, statt zu arbeiten, und am Morgen lieferte er den Ring ab. Der Meister brachte denselben hin und bekam richtig das Geld; und als er angeben sollte, wie er zu dem Ringe gekommen, erzählte er die Geschichte und beschrieb den Peter Bär so genau, daß die Prinzessinnen ihren Retter wiedererkannten. Als der König ihn holen laßen wollte, war er fort, wohin, wußte niemand zu sagen. Er war aber nach einer anderen Stadt gegangen, wo ein armer Zeugschmied wohnte, der ihm einst einen Krug Bier gereicht hatte. Hier gab er sich für einen Zeugschmied aus, und als der Meister ihm gleichfalls erzählte von dem schönen Gelde, das mit einem Ringe zu verdienen sei, und wie ein armer Goldschmied schon reich geworden, erwiderte er: "Seid nur ruhig; besorgt mir auf diese Nacht eine Tonne Bier, ein Malter Nüße und ein paar Brode, so sollt ihr morgen früh einen Ring fix und fertig vorfinden." Der Meister traute ihm, denn er machte ein grundehrlich Gesicht, und am andern Morgen bekam er einen goldenen Ring, für den er richtig tausend Dukaten vom Könige ausbezahlt erhielt. Wieder sandte der König Boten mit, und wieder war er ausgeflogen. Jetzt gieng er zu seinem guten Lehrherrn, der arm geworden war und in der Residenz sich vom Knochensammeln nährte. Ihm gab er Geld für Bier, Nüße und Brod und ließ ihn miteßen, sprach auch viel mit ihm, wurde aber nicht wiedererkannt. Am andern Morgen schenkte er ihm den dritten Ring, und auch dieser wurde mit tausend Dukaten bezahlt. Nun ließ der König dem Retter seiner Töchter nachspüren, konnte sein aber nicht habhaft werden: jeder wollte ihn gesehen haben, und niemand wußte ihn nachzuweisen; bald war er auf diesem, bald auf jenem Dorfe gewesen, und bald hatte er sich in diesem, bald in jenem Wirthshause umgetrieben; der König schickte Boten um Boten aus, denn die jüngste Tochter wollte beinahe sterben vor Sehnsucht nach ihm, und kein Bote brachte Gewisses nach Hause. Endlich hörte er von dem Leid der Prinzessin, und da überfiel ihn dasselbe Leid. Eines Tages kam ein Bettelmann vors königliche Schloß; die Wache wollte ihn wegjagen und verwundete ihn dabei. Als er sich das Blut abwischte, sahen die Königstöchter, die von dem Lärm ans Fenster gelockt waren, ihr feines weißes Taschentuch, und dabei erkannten sie den Bettler. Der König selber holte ihn herein und gab ihm seine jüngste Tochter zur Gemahlin; und als derselbe starb, wurde Peter Bär König über dasselbige ganze Land.

Quelle: sagen.at
Märchen und Sagen aus Hannover, Carl und Theodor Colshorn, Hannover 1854, Nr. 5, S. 18 - 30.


 

Traditionelle Sagen aus Österreich

Fliegende Drachen
Nach dem Glauben der Hinterberger vor über hundert Jahren kann man Drachen recht oft sehen, wie sie als feurige Kugeln mit einer ungeheuren Schnelligkeit dahinfliegen. Manchmal ziehen sie auch noch einen langen Schwanz nach. Sie sausen meistens auf einen Berg los und tief hinein in den Felsen. Sieben Jahre dauert es dann, bis sie wieder herauskommen und weiterfliegen.

Quelle: sagen.at
Sagenhaftes Hinterbergertal, Sagen und Legenden aus Bad Mitterndorf, Pichl-Kainisch und Tauplitz vom Ende der Eiszeit bis zum Eisenbahnbau, Matthias Neitsch. Erarbeitet im Rahmen des Leader+ Projektes „KultiNat“ 2005 – 2007.
© Matthias Neitsch

 

Die Drachenfedern
Es war einmal vor langer Zeit ein reicher Wirt, der hatte eine wunderschöne Tochter. Neben dem Wirtshaus wohnte in einer gemieteten Hütte ein armer Holzhacker mit seinem Sohn. Dieser war ein lebensfroher, rüstiger Junge, der schönste Bursche im ganzen Dorf und dazu noch recht brav und arbeitsam. Immer war er guter Dinge und zur Arbeit aufgelegt, nur wenn er die Liese, die Wirtstochter, sah, dann stand ihm der Gedanke still, und sein Blick verlor die frühere Fröhlichkeit.
Auch Liese war dem Jungen herzlich gut; nur schade, daß er so blutarm war, und ihr Vater, wenn sie ihn um seinen Segen gebeten hätten, ganz gewiß nicht ja gesagt hätte. Aber versuchen konnten sie's ja doch, und sie taten es auch.
Der Vater hieß die Tochter ein dummes Ding und wies ihr die Tür, dem Freier aber gab er lachend zur Antwort, wenn er sich seine Tochter verdienen wolle, müßte er dem Drachen im großen Wald, der einige Stunden vom Dorf entfernt lag, drei goldene Federn ausreißen und sie ihm herbringen, sonst sollte er sich gleich fortmachen.
Der Junge war ganz zufrieden mit dieser Bedingung, denn obwohl er wußte, wie grimmig der Drache über jeden herfiel und wie schreckenhaft er aussah, so hoffte er doch, durch List dem Ungetüm beikommen zu können. Er machte sich sogleich auf den Weg zum Schloß des Drachen, das in einem dunklen Wald lag.

Unterwegs kam er an einem Haus vorbei, vor dessen Tür ein alter Mann saß, der den Kopf in beide Hände stützte und sehr traurig schien. "Was bist du denn so traurig?" redete der Vorübergehende ihn an.
"Ja, meine Tochter ist schon viele Jahre krank, und nur der Drache könnte ihr helfen - aber ..."
Da unterbrach ihn der Holzhacker: "Ich gehe jetzt eben zu ihm, vielleicht erfrage ich ein Mittel von ihm, und wenn ich wiederkomme, will ich's dir dann sagen."
Der Holzhackersohn ging weiter und sah in einem grünen Anger eine große Menge Menschen um einen Apfelbaum versammelt. "Gefällt euch denn der Baum so gut, ihr Leute, daß ihr so hinaufschaut?" fragte er im Vorbeigehen.
"Ja, der Baum", redete da einer von ihnen den Fragenden an, "der Baum gefiele mir freilich, wenn er wie früher goldene Äpfel trüge; aber leider treibt er jetzt nur schlechte Blätter. Wenn du aber zum Drachen gehen und ihn fragen willst, warum dies geschieht, so sollst du es mir nicht umsonst tun."
"Ja, ja", sagte der Holzhackersohn, "das will ich auch", und ging weiter.
Schon sah er den dunklen Wald vor sich, über den sich eine Nebeldecke ausbreitete, und beschleunigte seine Schritte. Da gelangte er an einen Fluß, wo ein alter Fischer ihn in einem kleinen Kahn hinüberführte und ihm klagte, daß er schon so lange dieses langweilige Geschäft versehe und nie abgelöst werden könne, wenn ihm nicht der Walddrache einen gute Rat gebe. Der dienstfertige Holzknecht versprach ihm, auch sein Anliegen dem Drachen vorzutragen, nachdem er ihm erzählt hatte, warum er in den gefährlichen Wald gehe. Der gute Fischer fing fast zu weinen an, weil er sehr um das junge Leben des Burschen besorgt war. Aber er war doch froh in der Hoffnung, daß auch er noch erlöst werden könnte, und versprach ihm viel Geld zur Belohnung.

Bald fand der junge Brautwerber, weil eben jetzt die rechte Zeit war, das Schloß des Drachen. Er ging hinein und war ganz erstaunt über die große Pracht, die ihm überall entgegenstrahlte; den gefürchteten Herrn aber wurde er nicht gewahr, denn zum Glück war er eben nicht zu Hause. Der Drache hatte jedoch eine Frau, die keinem Menschen ein Leid, sondern nur Gutes tat. Als diese den Holzknecht sah, ging sie ihm entgegen, war sehr freundlich mit ihm, und als er ihr sein Anliegen klagte und ihm vom traurigen Mann, vom Apfelbaum und vom Fischer erzählte, versprach sie ihm sogar, selbst seine Sache zu übernehmen, und versteckte ihn unter der Bettstelle.
Spät in der Nacht erst kam der Hausherr zurück und war heute recht wild, noch viel wilder als sonst, und sobald er ins Gemach eintrat, rief er, voll Zorn um sich blickend: "Ich schmeck', ich schmeck' einen Christen!"
"O nein", entgegnete darauf die Frau, sich verstellend und schmeichelnd, "es ist ja niemand hiergewesen."
Der Drache ließ es so gelten, und als die Frau ihm recht schöntat und ihn streichelte, wurde er viel zufriedener und war nicht mehr so wild und zornig. Nach einer Weile gingen sie zu Bett, und der Drache schnarchte bald und fiel in einen tiefen Schlaf. Schnell riß ihm die Frau nun eine goldene Feder aus und gab sie dem Holzhacker unter der Bettstelle.
Da wachte aber der Drache auf und schrie zornig: "Wer hat ein Recht, mich zu zupfen und zu rupfen?"
"Sei nur nicht böse", rief die Frau im Schrecken. "Ich habe es im Schlaf getan. Mir träumte, ein alter Mann habe eine kranke Tochter. Was soll sie etwa versuchen, damit sie wieder gesund wird?"
"Die muß die Hostie, die man unter ihrem Bett versteckt hat, wegschaffen, wenn sie noch gesund werden will", antwortete der Drache und schlief wieder ein. Nun riß sie ihm die zweite Feder aus und gab sie schnell dem lauschenden Holzhacker.
"Wer hat ein Recht, mich zu zupfen und zu rupfen?" schnaubte wieder zornig der Drache.
"Sei nur still", sagte die Frau leise. "Ich habe einen Traum gehabt von einem Apfelbaum, der früher goldene Äpfel trug; jetzt aber trägt er keine mehr. Wenn ich doch wüßte, wie er wieder fruchtbar wird."
"Die Schlange muß ausgegraben werden, die unter dem Baum liegt und die Wurzeln benagt", murmelte der Drache schon halb schlafend.
Jetzt ging's aufs Letzte, und die Frau riß ihm auch die dritte Feder aus und machte es wie früher.
Aber da war die Wut des Untiers aufs höchste gestiegen: "Wer rupft und zupft mich?" schrie der Schreckliche und wollte aus dem Bett springen.
Die Frau aber hielt ihn und bat: "Sei doch nicht böse, ich habe geträumt von einem alten Fischer, der immer die Leute über den Fluß führen muß und nie frei wird."
"Er soll dem ersten, der zu ihm kommt, dieses Geschäft übergeben und davonlaufen, der dumme Alte", schnarchte der Drache. "Jetzt aber laß mich in Ruh', sonst zerreiß' ich dich!"
Darauf schlief er wieder ein, und der Holzhacker schlich sich ganz sachte fort und sagte auf dem Heimweg jedem den Rat, den ihm der Drache gegeben hatte, dem Fischer aber sagte er ihn erst, als er ausgestiegen war aus seinem durchlöcherten Fahrzeug. Alle gaben ihm Gold und Silber in Menge, denn sie waren voll Freude, daß er ihnen geholfen hatte.

Am meisten aber freute sich daheim die Liese, als sie den lieben Holzhacker wiedersah. Sie konnte kein Auge von ihm abwenden und hielt ihn immer bei der Hand, bis der Vater kam und nun recht gerne ja sagte, weil der arme Nachbar jetzt viel reicher war als er selbst. Die jungen Brautleute luden alle Verwandten und Freunde zur Hochzeit. Da waren alle voll Fröhlichkeit, sie selbst aber die Fröhlichsten und Glücklichsten von allen.

(mündlich aus dem Zillertal)
Quelle: sagen.at
Ignaz und Joseph Zingerle, Kinder- und Hausmärchen aus Süddeutschland, Regensburg 1854


 

Deutsche Sagen der Gebrüder Grimm

In der Schweiz wurden noch viele Sagen von Drachen und Würmern bewahrt. Sie hausten vor alter Zeit im Gebirge und kamen oftmals verheerend in die Täler herab. Noch heute, wenn ein heftiger Waldstrom über die Berge stürzt, Bäume und Felsen mit sich reißt, pflegen es die Alpenbewohner in einem tiefsinnigen Sprichwort zu sagen: »Es ist ein Drach ausgefahren.«

 

Der Drache fährt aus
Ein Binder aus Luzern ging hinaus um Daubenholz für seine Fässer zu suchen. Er verirrte sich in eine wilde und einsame Gegend. Die Nacht brach herein, und er fiel plötzlich in eine tiefe schlammige Grube, wie in einen Brunnen, hinab. Zu beiden Seiten auf dem Boden waren Eingänge in große Höhlen. Als er diese genauer untersuchen wollte, stießen ihm zu seinem großen Schrecken zwei scheußliche Drachen auf. Der Mann betete eifrig, die Drachen umschlangen seinen Leib verschiedenemal, aber sie taten ihm kein Leid. Einige Tage und Monate verstrichen. Er mußte vom 6. November bis 10. April in Gesellschaft der Drachen ausharren. Er ernährte sich wie die Drachen von einer salzigen Feuchtigkeit, die aus den Felsenwänden schwitzte. Als nun die Drachen witterten, daß die Winterszeit vorüber war, beschlossen sie auszufliegen. Der eine tat es mit großem Rauschen, und während der andere sich ebenfalls dazu bereitete, ergriff der unglückselige Faßbinder des Drachen Schwanz, hielt fest daran und kam aus der Grube mit heraus. Oben ließ er los, wurde frei und begab sich wieder in die Stadt. Zum Andenken ließ er die ganze Begebenheit auf einen Priesterschmuck sticken, der noch jetzt in des heiligen Leodagars Kirche zu Luzern zu sehen ist. Nach den Kirchenbüchern hat sich die Geschichte im Jahre 1420 zugetragen.

 

Der Lindwurm am Brunnen
Zu Frankenstein, einem alten Schlosse anderthalb Stunden weit von Darmstadt, hausten vor langer Zeit drei Brüder zusammen, deren Grabsteine man noch heutigentags in der Oberbirbacher Kirche sehen kann. Der eine der Brüder hieß Hans, und er ist ausgehauen, wie er auf einem Lindwurm steht.
Unten im Dorfe fließt ein Brunnen, in dem sich sowohl die Leute aus dem Dorf als auch aus dem Schloß ihr Wasser holen müssen. Dicht neben den Brunnen hatte sich ein Lindwurm gelagert, und die Leute konnten nicht anders Wasser schöpfen als dadurch, daß sie ihm täglich ein Schaf oder ein Rindvieh brachten. Solang der Drache daran fraß, durften die Einwohner zum Brunnen. Um diesen Unfug aufzuheben, beschloß Ritter Hans den Kampf zu wagen; lange stritt er und endlich gelang es ihm, dem Wurme den Kopf abzuhauen. Nun wollte er auch den Rumpf des Untiers, der noch zappelte, mit der Lanze durchstechen. Da kringelte sich der spitzige Schweif um des Ritters rechtes Bein und stach ihn gerade in die Kniekehle, die einzige Stelle, welche der Panzer nicht deckte. Der ganze Wurm war giftig, und Hans von Frankenstein mußte sein Leben lassen.

Bild von: www.roland-rafael-repczuk.de

 

 

 

Fürchterliche Ungetüme ...

... in den christlichen Geschichten werden die Drachen meist bekämpft.
Hier werden die Drachen als böse und zerstörerisch dargestellt ...

Dabei waren sie doch ursprünglich Hüter und Beschützer.
Der Drachen in der Geschichte "Der Lindwurm am Brunnen" behütete und bewachte den Brunnen
und als Gegenleistung für das Wasser bekam er täglich ein Schaf oder ein Rindvieh.
Ein Geschenk als Ehrerbietung und zum Dank.

... und nachdem die Menschen die Drachen getötet hatten, meinten sie,
sie könnten sich unbegrenzt an den Schätzen der Erde bereichern ...

... aber einige Drachen haben überlebt ...

... und einer hat eine Botschaft zu verkünden ...

 

 

Die Botschaft

 

 

 

 

 

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